Außergewöhnliche Gipfelstürmerinnen: Lynn Hill

Gipfelstürmerin Lynn Hill

Titelfoto: Lynn Hill, Photo: Jarle Vines (Creative Commons Attribution Sharealike 3.0)

Lynn Hill dominierte über mehr als ein Jahrzehnt die Kletterszene. 1993 gelang ihr der Coup, durch den sie weltberühmt wurde: Sie erkletterte als erste (nicht als erste Frau, als erster Mensch) die Granitwand „The Nose“ am El Capitan im Yosemity Valley frei. Sie erreichte damit etwas, an dem viele Männer vor ihr gescheitert waren. Ihr Statement zum Erfolg ist kurz, aber durchaus politisch: „It goes, boys!“

Lynn Hill kam 1961 als fünftes von sieben Kindern zur Welt. Die Familie war viel draußen unterwegs, Lynn war als Kind aber erstmal in „Drinnen“-Sportarten aktiv. Sie brillierte beim Schwimmen (was ihr zu langweilig wurde) und beim Kunstturnen.

Zum Klettern kam Lynn als Vierzehnjährige durch ihren älteren Bruder Bob, ihre Schwester Kathy und deren Verlobten Chuck. Lynn war sehr klein, aber mit ihrem vom Kunstturnen gestählten Körper von Beginn an sehr wendig im Fels unterwegs.

Der Joshua Tree Park war ihre kletterische Heimat. In den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts war dort die eingeschworene Mannschaft der „Stonemasters“ aktiv, deren Respekt sich Lynn nach und nach erkletterte.

Von 1986 bis 1992 war Lynn im Sportklettern sehr aktiv, gewann 26 von 38 Kletterwettkämpfen und bestritt mit den Preisgeldern ihren Lebensunterhalt. Sie blieb aber stets bescheiden, obwohl sie in der Kletterszene immer bekannter wurde. Irgendwann war sie das Klettern an Plastikgriffen in Hallen aber Leid, und widmete sich wider den Felswänden, ihrer eigentlichen Disziplin.

Ein einschneidendes Erlebnis war für Lynn ihr Sturz in Buoux. Bei einer Tour an der Felswand „Le Styx“ gemeinsam mit ihrem Ehemann Russ Raffa beging sie einen schwerwiegenden Fehler. Sie hatte ihr Seil an ihrem Gurt nicht festgeknotet. Im Aufstieg passierte ihr kein Fehler, so dass das Seil auf Reibung an ihrem Gurt blieb. Doch beim Abseilen aus 25m Höhe kam dann der Fall. Lynns Sturz wurde von einem Baum leicht gebremst, und so überlebte sie schwerverletzt. Diese Episode wählte sie als Einstiegskapitel ihres Buches Climbing Free, ihr Beinahe-Tod brachte sie dazu, ihr Leben neu zu durchdenken.

1993 widmete sie sich dann „The Nose“ am El Capitan. Sie stieg immer wieder ein, und plötzlich schaffte sie es, wie sie selbst sagt „auf wundersame Weise“ die Schlüsselstelle, das „Great Roof“, zu bezwingen, ein Dach im zehnten Schwierigkeitsgrad (8a+), das mit eingezogenem Kopf traversiert werden muss. Als Knackpunkt für Lynn erwies sich dann aber eine andere Stelle, die „Changing Corners“. Um diese Passage zu klettern muss man groß sein, und Lynn mit ihren 1,57m Körpergröße gelang es einfach nicht. Nach mehreren Versuchen fand sie eine alternative seitliche Route über glattem Fels mit einem winzigen Riss, den sie zuerst noch von einem alten Haken befreien musste.

Nachdem sie für alle Stellen eine Lösung gefunden hatte, machte sie sich mit ihrem Kletterpartner Brooke Sandahl im September 1993 auf, um die komplette Wand frei zu klettern. Sicher kletterte sie Meter um Meter der Felswand hoch, bis sie am Ende 900m frei kletternd überwunden hat. Sie schrieb mit dieser Leistung Klettergeschichte. Ein Jahr später wiederholte sie die Tour und kletterte sie an nur einem Tag, übertraf sich damit selbst. Es dauerte danach 10 Jahre, bis ihre jemand diese Leistung nachmachen konnte.

Lynn Hill klettert
Lynn Hill klettert, Quelle: https://lynnhillclimbing.com/

Wie eingangs erwähnt war ihr Statement „It goes, boys!“ durchaus politisch zu verstehen. Die zierliche Lynn musste sich in der männderdominierten Kletterwelt stets behaupten.

In ihrem Buch Climbing Free – In den steilsten Wänden der Welt schildert Lynn sehr ausführlich, wie sie sich so entwickelt hat, dass diese Leistung möglich wurde. Es ist ein beeindruckender Einblick in das Leben einer bemerkenswerten Frau.

2003 kam Lynns Sohn Owen (mit ihrem Partner Brad Lynch) zur Welt. Lynn klettert weiterhin, arbeitet als Kletter Guide und Coach und hält Vorträge.

Fakten

Lebenszeit: Geboren am 3. Januar 1961 in Detroit, USA

Wo aktiv: Weltweit, vor allem im Yosemite Valley und in den französischen Alpen

Besondere Leistungen: Erster Free Climb auf der Route „The Nose“ am El Capitan im Yosemity Valley. Diese Leistung wurde erst 11 Jahre später wiederholt.

Buch- und Website-Empfehlungen

Website von Lynn Hill

Climbing Free – In den steilsten Wänden der Welt; Lynn Hill mit Greg Child, Malin National Geographic, 2011

Erste am Seil – Pionierinnen in Fels und Eis, Kapitel: Auf der Nase herumgeklettert; Caroline Find und Karin Steinbach, Tyrolia, Innsbruck, 2013


Mehr Inspiration zu unserem Thema Frauen in den Bergen findest du auf unserer OutdoorFrauenPower Seite.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Outdoor-Frauen-Power-2-2000x800.jpg



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.